So sehr sich Afghanistan und die Schweiz auch oberflächlich unterscheiden, auf der elementaren Ebene, bei den Gefühlen, lösen sich viele Widersprüche auf. Davon erzählen Sara Ebrahimi und Rahima Noori.
Interview von Monera Abdillah
Afghanistan und die W&O-Region hätten wohl kaum Berührungspunkte, wären da nicht die Menschen, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verlassen mussten und heute bei uns Zuflucht gefunden haben. Wie ist es eigentlich, wenn man in Afghanistan auf die Welt kommt und heute in der Schweiz lebt? Im Rahmen des Medienprojektes #refujournalists ist ein Einblick in das Gefühlsleben zweier geflüchteter Frauen und Mütter gelungen. Das Interview mit Sara Ebrahimi und Rahima Noori aus Sevelen zeigt auf, dass die Wünsche und Bedürfnisse von Frauen und Müttern nur wenig mit der Herkunft zu tun haben.
Sara Ebrahimi und Rahima Noori, wie sind Sie in die Schweiz gekommen?
Sara Ebrahimi: Als die Taliban kamen, verliess ich meine Heimat. Von Afghanistan flohen wir zuerst nach Pakistan, wo ich meinen Mann kennen gelernt habe. Doch die Aussichten dort waren kaum besser. Wir zogen weiter in den Iran und die Türkei, doch wir hatten kein Aufenthaltsrecht, sodass unsere zwei Töchter nicht zur Schule gehen durften. Dass die Kinder etwas lernen, geht vor, sagten wir. Vor nicht ganz vier Jahren sind wir in Basel angekommen. Bevor ich hier ankam, hatte ich einfach immer Angst. Ich hatte Angst, wieder fortgehen zu müssen.
Rahima Noori: Ich bin von Afghanistan in den Iran und dann mit dem Boot in die Türkei geflohen. Wir hatten kein Ziel, wir strebten nach Sicherheit. Meine Eltern sind noch immer in Afghanistan.
Haben Sie auch etwas mitgenommen?
Sara Ebrahimi: Wir nahmen einige Kleidungsstücke und Verpflegung mit, doch als es auf dem Meer Schwierigkeiten mit dem Boot gab, mussten wir alles, was wir mitgenommen hatten über Bord werfen.
Wie war es in Ihrem Heimatland?
Sara Ebrahimi: Ich hätte gerne lesen und schreiben gelernt, aber als Mädchen durften wir nicht zur Schule gehen. Manchmal steckten die Taliban die Mädchenschule im Dorf sogar in Brand. Man hatte Angst um uns und so mussten wir immer zu Hause bleiben. Unsere einzige Beschäftigung war waschen und kochen.
Rahima Noori: Schon während meiner Kindheit herrschte in Afghanistan Krieg. Deshalb durfte man als Kind nicht nach draussen gehen. Man musste immer zu Hause bleiben. Lesen und Schreiben habe ich auch erst hier gelernt. Ich denke heute noch immer oft an diese Tage.
Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Sara Ebrahimi: Ich lerne gerade Deutsch. Als ich in die Schweiz kam, konnte ich kein Wort lesen und schreiben. Ausserdem hatte ich Gelegenheit, ein bisschen zu arbeiten, so half ich vergangenes Jahr beim Erdbeerenpflücken, das ist eine strenge Arbeit. Ich habe auch für Feste gekocht.
Rahima Noori: Zurzeit lerne ich Deutsch und kümmere mich um die Kinder. Wenn die Kinder nicht da sind, ist es zu Hause langweilig. Deshalb ist es gut, wenn man arbeiten kann. Ich habe manchmal noch Kontakt zu meiner Familie. Telefonisch oder manchmal auch übers Internet, obwohl sie dort nicht so einen guten Internetanschluss haben.
Wie gefällt es Ihnen in der Schweiz?
Sara Ebrahimi: Wir wurden hier sehr freundlich aufgenommen. Das ist ein gutes Gefühl. Man geht sehr lieb mit uns um und das schätzen wir sehr.
Rahima Noori: Mir gefällt es sehr gut hier. Hier ist alles besser: Es herrscht kein Krieg und wir müssen auch keine Angst haben. Hier können wir Familie sein. Die Menschen hier sind sehr nett zu uns.
Wo haben Sie Schwierigkeiten?
Rahima Noori: Ich habe das Gefühl, mein Kopftuch sei eine Barriere. Ich stelle mir vor, dass die Leute Angst davor haben und manchmal schäme ich mich selbst dafür. Ich mag mein Kopftuch, aber vielleicht, wenn ich einmal eine Arbeitsstelle bekomme, muss ich es ablegen.
Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Sara Ebrahimi: Meine Kinder sollen hier zur Schule gehen. Ich wünsche mir, dass es meinen beiden Töchtern gut geht. Sie sollen einen guten Beruf erlernen. Ich will eine Arbeit finden. Afghanistan ist für Frauen kein sicherer Ort. Ich will nicht dorthin zurück.
Rahima Noori: Ich will auch nicht zurück. Ich gehe gerne in den Deutschunterricht und möchte bald die Sprache besser beherrschen. Dann kann ich schneller mit Ihnen reden. Vielleicht werde ich Ärztin oder Lehrerin. Aber dafür muss ich noch viel lernen.