Menschen legen Geld auf die Seite, um sich Wünsche zu erfüllen, aber auch um gewappnet zu sein für Unvorhersehbares. Doch es gibt kulturelle Unterschiede, wie ein Gespräch unter Nachbarinnen zeigt.
Von Manal Salhia aus Syrien
An einem sonnigen Tag sitze ich mit meiner Schweizer Nachbarin im Garten. Wir trinken Kaffee und fragen uns, was uns wichtig ist, wofür wir Geld ausgeben. Und wofür wir sparen.
Meine Nachbarin erzählt, dass man in der Schweiz gerne für eine Reise spart, wie man sie jedes Jahr unternehmen möchte, um verschiedene Kulturen zu entdecken, um ein Abenteuer zu erleben. Selbstverständlich bringt man das Geld auf die Bank, wo es unsichtbar im Tresor, dem modernen Sparstrumpf, auf seine Bestimmung wartet.
Goldschmuck als Versicherung
In meinem Heimatland, in Syrien, kann man nicht so einfach in die weite Welt hinaus reisen, denn wir brauchen ein Visum für jedes Land.
Deshalb geben die Menschen dort ihr Geld für Kleider und Schuhe aus, für ein Handy oder ein iPad, wenn neben den Ausgaben für das Lebensnotwendige ein kleiner Luxus erlaubt ist.
In Syrien gibt es keine echte Krankenkasse oder Versicherung. Wir jemand in der Familie krank, dann braucht er viel Geld, um den Arzt zu bezahlen, sonst stirbt er leise.
Diese wertvolle wie schöne Zierde ist ihre Sicherheit für schwierige Zeite. Ihre greifbare Versicherung für die ganze Familie.
Wenn eine Frau in Syrien schönen Goldschmuck trägt, ist das kein Zeichen für grossen Reichtum, sondern Ausdruck dafür, dass sie für ihre Familie vorgesorgt hat.
In Schönheit investieren
Meine Nachbarin ist sehr überrascht, als ich ihr beschreibe, dass reiche Syrerinnen in Sachen Schmuck noch einen Schritt weiter gehen.
Sie investieren viel Geld beim Chirurgen in ihre Schönheit. Sie träumen davon, immer jung auszusehen. Deshalb lassen sie sich die Nase kleiner machen, die Lippen voller. Sie lassen sich die Haut und Brüste straffen. Sie haben Lust auf ein Gesicht, wie das einer bekannten Schauspielerin.
Es gibt sozusagen mehrere Ausgaben des gleichen Modells, immer mit Hollywoodsmile.
Die weniger wohlhabenden Menschen im Land begegnen dieser Mode mit ironischem Humor. Sie erzählen sich, dass ein reicher Mann von seiner Braut ein Foto verlangen sollte, das die Angetraute vor der Schönheitsoperation zeigt, damit er sich ein Bild vom Aussehen seines Nachwuchses machen kann.
Dieser Artikel ist erstmals am 23. Juni 2017 im «Rheintaler» veröffentlicht worden.